Schon häufig habe ich auf dieser Seite geschrieben, dass es bei Lean nicht um die Tools geht, sondern um die Prinzipien, die diesen Tools zugrunde liegen.
Wenn man daran glaubt, dass es bei Lean um die fließende Erstellung von Kundennutzen, zum geforderten Zeitpunkt in der geforderten Menge geht und dabei folgende Rahmenbedingungen im Hinterkopf behält:
- genchi genbutsu (gehe an den Ort des Geschehens und schau dir das Problem selbst an)
- kaizen (Verbesserung in kleinen kontinuierlichen Schritten)
- herausfordern (Stelle den Status Quo immer in Frage und suche nach besseren Wegen)
- Teamwork (Beziehe alle Betroffenen mit ein und gehe über Abteilungsgrenzen hinaus)
- Respekt (fordere und fördere Mitarbeiter und Kollegen aus Ihrer Komfortzone herauszukommen),
dann kommt man quasi von selbst auf die entsprechenden Methoden, um die Ziele zu erreichen.
Warum sind die Tools dann trotzdem so wichtig?
Hier hilft eine Geschichte aus dem Film Karate Kid. Ein Junge namens Daniel LaRusso zieht in eine neue Stadt und wird dort in der Schule schikaniert. Während eines Vorfalls springt ihm Mr. Myiagi zu Seite und rettet ihn vor einer Bande von Schlägern. Mr. Myiagi stellt sich als alter Karate-Kämpfer heraus und Daniel bittet ihn, ihm die techniken des Karate beizubringen.
Mr. Myiagi lässt sich unter der Voraussetzung auf den Deal ein, dass Daniel Mr. Myiagi bei seiner Hausarbeit hilft. Eines Tages nimmt Mr. Myiagi Daniel zur Seite und sagt, dass sein Kampftraining nun beginnen würde. Er drückt ihm zwei Schwämme in beide Hände, geht mit ihm zu einem seiner Oldtimer und sagt:
„Wachs auftragen rechte Hand, polieren linke Hand. Auftragen rechte Hand, polieren linke Hand. Einatmen durch Nase, Ausatmen durch Mund.“
Daniel versteht nicht. Er wollte doch Kampfkunst lernen und nicht Autos polieren.
Erst im späteren Verlauf seiner Ausbildung stellt er fest, dass diese Übung ihm Grundlegende Fähigkeiten vermittelt hat, auf denen er nun aufbauen kann. Er hatte den tieferen Sinn zu Beginn einfach nicht verstanden.
Lean Werkzeuge helfen beim Grundverständnis
Methoden wie 5S oder Kanban müssen auf den ersten Blick keinen Sinn machen. Man kann noch so viel verargumentieren, warum 5S nun so sinnvoll sei. Viele Mitarbeiter werden nicht erkennen, wo der Nutzen liegt. Ebenso wird man nicht jeden Logistiker gleich davon überzeugen, dass es „richtig“ ist, lieber 5 mal am Tag eine kleine Menge an Material zu bringen, als einmal am Tag eine große Menge. Immerhin ist es am Ende des Tages die gleiche Menge an Material.
Wenn man allerdings die Lean Tools erlernt und deren Wirkungsweisen versteht, so kann man auf unterschiedlichste Probleme mit diesen Methoden reagieren.
So wie beim Karate Kid die Handbewegungen des Auftragens und Polierens in einen Automatismus übergegangen sind und er somit nicht mehr überlegen musste, wie er einen Schlag pariert. So müssen Mitarbeiter, die tagtäglich mit Lean Methoden arbeiten, nicht mehr darüber nachdenken, wie nun gewisse Probleme zu behandeln sind.
Die Kata als „erweitertes“ Tool
Das Wort Kata entstammt dem Kampfsport und beschreibt auch dort, das häufige Wiederholen von bestimmten Bewegungsabläufen. Für mich ist die gerade sehr verbreitete Verbesserungs- und Coaching-Kata ein erweitertes Tool für den Lean Anwender.
Der Unterschied ist, dass die Kata den Anwender nicht mehr darin Schuld spezifische Probleme mit spezifischen Lösungen zu behandeln. Sondern eine wissenschaftliche Problemlösungsroutine anzuwenden. Hierfür werden immer und immer wieder die 5 Coaching-Kata Fragen wiederholt:
1.) Was ist der Ziel-Zustand?
2.) Was ist der IST-Zustand?
3.) Was hindert dich daran, das Ziel zu erreichen und welches Hinderniss gehst du momentan an?
4.) Was ist dein nächster Schritt?
5.) Wann können wir uns ansehen, was du aus diesem Schritt gelernt hast?
Mit der Zeit kommt das Verständnis
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass ein tiefergehendes Verständnis für Lean, erst mit der Zeit und vor allem mit Erfahrung kommt. Mein Bild von Lean von vor 10 Jahren ist ein gänzlich anderes, als mein heutiges und ich bin mir sicher, dass mein Verständnis in zwei Jahren wieder ein anderes sein wird.
Deswegen möchte ich dich aufmuntern nicht zu verzweifeln, wenn du einige Diskussionen rund um Lean nicht verstehst und es auch nicht verstehst, warum ich so sehr auf Denk- und Handlungsweisen rumreite.
Dies ist einfach mein momentanes Verständnis von Lean, das über die Lean Tools hinausgeht.
Ich bin aber überzeugt, dass die Lean Tools ein guter Weg sind ind das Thema einzusteigen und kann jeden nur ermuntern sich die Methoden-Kompetenz in diesem Bereich anzueignen. Das Verständnis der Tools wird sich weiter entwickeln. Die Zusammenhänge werden klarer werden und die Ganzheitlichkeit von Lean wird deutlich.