Gerne wird Lean auf die Eliminierung der 7 Verschwendungsarten reduziert. Leider führt dies häufig zum Selbstzweck. Es geht nicht darum Überproduktion oder Bestände zu verringern, sondern handfeste Business-Probleme zu beseitigen, um auf diese Weise so effizient wie möglich den Kundenwunsch zu erfüllen. Die Verschwendungsarten sind für mich Symptome von schlechten Prozessen, wir müssen somit an die Ursache dieser Symtpome ran und diese verbessern.
Dies ist aber häufig das Schwierigste für einen Neuling im Bereich Lean (und teilweise auch für altgediente Lean Thinker). Während Verschwendung nach einigem Training leicht zu erkennen ist, so fällt es vielen schwer die Ursachen für diese Verschwendung im Prozess zu erkennen. Hier gilt wieder: Sehen Lernen!
Ein Möglichkeit seine Fähigkeit zur Prozessbeobachtung und Erkennung von Problemen zu trainieren sind Gemba Walks.
Gemba steht im japanischen für „der Platz, an dem es tatsächlich passiert.“ Das kann die Maschine in der Werkshalle, der Verkaufstresen oder die Transaktion im PC Programm sein. Wichtig ist hierbei, dass nicht abstrakt über Probleme gesprochen wird, sondern diese vor Ort (Werkshalle, Verkaufsraum, Bildschirm) angesehen und diskutiert werden. Viel zu häufig neigen wir dazu uns auf Aussagen von „Experten“ zu verlassen, anstatt uns das Problem selber anzusehen und uns eine eigene Meinung zu bilden.
Gemba Walks sind deshalb ein gutes Mittel für all jene, die Lean wirklich als Problemlösungskultur verstehen und mehr über den Prozess der Problemlösung lernen wollen.
Worauf muss ich beim Gemba Walk nun achten?
Auf diese Frage gibt es unzählige Antworten. Sucht man im Internet nach Gemba Walks findet man mehrere gute Quellen (siehe Unten), die einem mehrere Fragen und Punkte an die Hand geben, auf die man achten sollte.
- Welchen Standard haben wir?
- Wie gut kennen die Mitarbeiter den Standard?
- Wie gut arbeiten wir im Vergleich zum Standard?
- Warum erreichen wir den Standard nicht?
- Was können wir augenblicklich tun, um den Standard zu erreichen?
- Wie können wir Abweichungen besser sichtbar machen?
- Warten Mitarbeiter auf Material?
- Liegt mehr Material im System als notwendig?
- Woher weiß ich, wie viel Material vorhanden sein darf?
- Haben wir defekte Teile? Woran erkenne ich defekte Teile?
- Gibt es einen Eskalationsprozess bei defekten Teilen?
- Nutzen Mitarbeiter alle Hilfsmittel? Warum nicht?
- Funktionieren die Maschinen wie beschrieben?
- Sind die Arbeitsstandards auf dem aktuellen Stand?
- Werden Sicherheitsmaßnahmen eingehalten?
Wie du siehst gibt es eine riesige Anzahl an Fragen, die man sich bei einem Gemba Walk stellen kann. Jeder dieser aufgeführten Fragen ist richtig und wichtig. Nur solltest du jetzt nicht anfangen, dir eine Checkliste zu entwerfen, auf der alle der Fragen draufstehen, um dann damit in die Produktion oder deinen jeweiligen Gemba zu gehen und die Fragen eine nach der anderen abzuhaken.
Wofür der Gemba Walk gut ist
Vielmehr musst du dir vergegenwärtigen wofür du den Gemba Walk machst. Du willst den Ablauf deiner Prozesse besser verstehen und den Problemen in diesen Prozessen auf den Grund gehen. Daher sind bei jedem Gemba Walk nur drei Fragen relevant:
- Was sollte passieren?
- Was passiert wirklich?
- Erkläre!
Was sollte passieren? Ist eine andere Form der KATA-Frage: Wie ist der Zielzustand? Ist für den Bereich ein klar definierter Standard vorhanden? Ist klar beschrieben, wie der Bereich auszusehen hat? Wer hat was, wann und womit zu tun? Häufig fehlt es in den meisten Unternehmen schon daran. Es ist nicht klar ersichtlich, wie Prozesse ablaufen sollten. Meistens „wissen“ es die Mitarbeiter, doch für einen Außenstehenden und sogar den Bereichsleiter ist es schon schwieriger zu erkennen, ob noch alles im grünen Bereich ist, oder am man sich auf eine Abweichung vom Soll-Prozess zubewegt.
Was passiert wirklich, oder wie lautet der aktuelle Zustand? Kann man Abweichungen vom Soll-Zustand klar erkennen? Sehe ich den aktuellen Stand eines Prozesses? Kann ich auf einen Blick sehen, wo wir uns gerade befinden und wenn wir vom Soll-Prozess abweichen, warum?
Wichtig hierbei sind Visualisierungen und häufige schnelle Regelkreise. Es reicht nicht aus einmal am Tag über bestimmte Kennzahlen zu schauen, wenn ich einen kurz-zyklischen Prozess von wenigen Minuten habe und sofort eingreifen muss. Das wäre wie Autofahren und dabei durch den Rückspiegel zu schauen.
Erkläre! Dies ist der Punkt an dem es interessant wird. Suche dir ein Problem aus, welches du entdeckt hast, nehme die verantwortliche Person hinzu und gehe einen Problemlösungszirkel durch. Ist das Problem weniger kompliziert, so nutze die 5W Methodik (5 mal Warum fragen), um auf die Ursache zu kommen. Ist das Problem komplizierter so beginne mit einem Ishikawa-Diagramm und arbeite die einzelnen Vermutungen mit 5W ab. Bist du an der Ursache angelangt, so führe ein Experiment mittels PDCA durch und dokumentieren den Erfolg. Sollte das Problem behoben sein, so hast du einen neuen Standard geschaffen, den es zu dokumentieren und visualisieren gilt.
Lege vorher deine Priorität fest
Du solltest vor deinem Gemba Walk festlegen mit was für einer Priorität du den Gemba Walk machen möchtest. Achtest du auf die Sicherheit der Mitarbeiter, die Abläufe in einer Montagezelle, die Materialbereitstellung durch die Logistik oder die Sauberkeit und Wartung der Maschinen? Gehe mit den vorgestellten Fragen nach Soll- und Ist-Zustand in den Bereich und suche nach Abweichungen vom Standard.
Quellen:
http://www.arashi-innovation.com/de/gemba-walk/
http://gitachud.hubpages.com/hub/gemba-walk-checklist-genchi-genbutsu
http://michelbaudin.com/2012/08/06/what-to-look-for-on-a-gemba-walk/
https://kaizeninstituteindia.wordpress.com/2013/09/24/do-more-with-less/