Nun bin ich also wie letzte Woche beschrieben seit September in unserer Logistik-Abteilung für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zuständig. Um herauszufinden welche Probleme am wichtigsten sind, habe ich gleich zu beginn versucht mit so vielen Betroffenen wie möglich zu reden.
Wie sieht uns unser Kunde?
Das heißt, dass ich natürlich vor dem Wechsel mit meinem Abteilungs- und Bereichsleiter deren Vorstellungen bezüglich der Entwicklung der Abteilung geklärt habe. Genauso habe ich mit den Kundenabteilungen der Logistik gesprochen, um deren Probleme und Wünsche an die Logistik zu kennen und zu signalisieren, dass wir diese Wünsche ernst nehmen. Diese Gespräche vermittelten mir ein relativ klares Bild von dem Außenbild „meiner“ Abteilung und den Wünschen meiner Kunden.
Was für Probleme haben die Mitarbeiter?
Als nächstes war es natürlich wichtig die Probleme der Mitarbeiter der Logistik kennen zu lernen und ihnen das Außenbild unserer Abteilung zu spiegeln. Hier kam es mir entgegen, dass mein Abteilungsleiter eine längere Einarbeitungszeit direkt am Shopfloor befürwortete. So habe ich gleich in meiner ersten Woche tageweise in den verschiedenen Bereichen unserer Abteilung aktiv mitgearbeitet, hierzu sogar meinen Staplerführerschein gemacht. Dies ermöglichte es mir einen direkten Draht zu den Mitarbeitern zu entwickeln und ihre Probleme besser verstehen zu können.
Eine Lean Führungskraft, die die Prozesse der Mitarbeiter genau kennt hat meiner Meinung nach einen ganz anderen Blickwinkel auf die Probleme der Mitarbeiter und kann in Diskussionen mit ihnen einen ganz anderen Standpunkt einnehmen. Das häufig gehörte: „Das kann doch nicht so schwer sein, jetzt macht es halt einfach,“ ist ja zugegebenermaßen ziemlich einfach als Führungskraft zu sagen, aber lässt die Mitarbeiter demotiviert im Regen stehen.
Wenn die Lean Führungskraft den Prozess aus eigener Erfahrung genau kennt, kann sie besser einschätzen was möglich ist und was nicht. Dies soll nicht heißen, dass man sich keine herausfordernden Ziele setzen soll, die vielleicht sogar unmöglich erscheinen. Vielmehr heißt das, dass die Führungskraft durch ihr besseres Verständnis der Prozesses den Mitarbeitern besser aufzeigen kann, wie sich der Prozess in die gewünschte Richtung entwickeln kann.
Grundlegende Standards fehlten
Nach dieser Einarbeitungsphase war es mir leichter möglich einige kleine Veränderungen anzustoßen. Von den Gesprächen mit unseren Kunden war mir klar, dass wir als Logistik zwar zu 95% einen sehr guten Job machen, die Auswirkungen von Schlechtleistungen aber häufig zu Bandstillständen und somit zu hohen Kosten führen.
Um zu verstehen, wo die Probleme in unserem System liegen habe ich beschlossen, jeder Störungsmeldung persönlich auf den Grund zu gehen. Ich gab somit den Teamleitern der Montage meine Werks-Handynummer mit dem Hinweis mich bei jeder durch uns verursachten Störung anzurufen. Zu Beginn herrschte eine anfängliche Skepsis unter den Teamleitern, immerhin hatte man ihnen schon häufig versprochen, dass die Probleme mit der Logistik behoben würden.
Als sie aber nach einer gewissen Zeit erkannten, dass ich mich erstens um eine schnelle Lösung ihres Problems kümmerte und zweitens an den Ursachen der Probleme arbeitete und somit die Anzahl der Störungen reduzierte, kamen die Anrufe häufiger und die Aussagen wurden detaillierter.
Wie gesagt, hatten wir schon früher versucht Probleme in der Logistik abzustellen, leider verliefen diese Bemühungen häufig im Sande, da die Führungskräfte nicht den notwendigen Willen hatten, dem Problem wirklich auf den Grund zu gehen. Meistens bügelten sie Fehler damit ab, dass das Personal halt nicht gut ausgebildet sei und keine Lust hätte richtig zu arbeiten. Ein Zitat ist mir dabei besonders im Kopf geblieben: „Schau dir doch mal die Mitarbeiter an, mit denen ich das alles schaffen soll!“
Es ist der Prozess, nicht der Mensch
Während ich den Ursachen der Störungen also nachging, stellte ich aber immer häufiger fest, dass es – wie von mir vermutet – nicht an den Mitarbeitern lag, sondern an unseren Prozessen und unseren Hilfsmitteln, die wir den Mitarbeitern zur Verfügung stellten. Dies fängt damit an, dass neue Mitarbeiter keine wirkliche Unterweisung über ihre Tätigkeit erhielten. Es existieren bis heute keine aktuellen Einlernpläne oder Qualifikationsmatrizen. Zudem stehen auf einigen unserer Kanban veraltete Daten, oder die Regale aus denen die Mitarbeiter der Logistik Material entnehmen sind falsch beschriftet. Wie soll da selbst der motivierteste Mitarbeiter eine gute Leistung erbringen.
Das witzige / tragische an der ganzen Geschichte ist, dass genau die Führungskräfte, die über ihre Mitarbeiter schimpfen, für die Erstellung und Aufrechterhaltung dieses Systems verantwortlich sind. Momentan arbeite ich gerade mit diesen Führungskräften an der Erarbeitung solcher grundlegender Standards und versuche gleichzeitig herauszufinden, warum sie diese Aufgabe nicht schon früher erledigten. Denn auch hier glaube ich, dass es das System ist, in dem meine Führungskräfte arbeiten müssen, dass sie daran hindert ihr Bestes zu geben und nicht die Führungskräfte selbst.